Vorwort des Bischofs Ignatij

(zu Band 3: An die Asketen von heute)


Vorwort des Bischofs Ignatij

 

Dem Ende meines irdischen Wandels nahe, hielt ich es für meine Pflicht, ein geistliches Vermächtnis über jene Gnadengaben des Geistes zu erstellen, mit denen Gottes Hand mich so reich gesegnet hat. Vermächtnis nenne ich mein Wort der Anleitung zur Errettung der Seele: Wer sich daran macht, seine Anweisungen in die Tat umzusetzen, wird zum Erben dieser geistlichen Schätze. Ich möchte dieses Vermächtnis den geliebten Altvätern und Mitbrüdern zum Geschenk machen, den Asketen unserer heutigen Zeit.

Ich nenne das Mönchtum einen geistlichen Schatz, der alle anderen Güter einschließt und umfasst und zu dem ich seit Kindestagen wundersam und unbeschreiblich gnadenreich berufen bin. Es war mir nicht beschieden, mein Leben der Eitelkeit und dem Verderben zu weihen! Ich wurde vom breiten Weg, der in den ewigen Tod führt, abgebracht und auf den schmalen und entbehrungsreichen Weg geleitet, der zum Leben führt. Die Bezeichnung Schmaler Weg birgt einen tiefen Sinn: Dieser Weg enthebt aus dem Irdischen, führt heraus aus der Düsternis der Vergänglichkeit, hinauf zum Himmel, ins Paradies, zu Gott. Dieser Weg stellt uns vor Sein Antlitz, in das unvergängliche Licht zur ewigen Seligkeit.

Um meinem Vermächtnis größtmögliche Geltung zu verleihen, machte sich die Buchform erforderlich. Es enthält Leitlinien zum äußerlichen Verhalten von Mönchen und Ratschläge für ihr Vorhaben, ihren seelischen Kampf. Mit gutem Recht kann ich dieses Werk als mein mystisches Bekenntnis bezeichnen. Ich bitte darum, dieses Bekenntnis mit Aufmerksamkeit und christlicher Nachsicht entgegenzunehmen. Es verdient das eine wie das andere. Was ich als Lehre vorlege, entstammt voll und ganz der heiligen Lehre der heiligen Väter der Orthodoxen Kirche. Diese waren theoretisch und durch eigene Erfahrung mit der Lehre des Evangeliums vertraut und haben sie sich zu eigen gemacht.

Vielfach wurde mein Leben erschüttert: Gründe dafür waren eigene Unterlassungen und Ablenkungen, fehlende Festigkeit und Unbeirrbarkeit im Befolgen der Lehren der Väter; Mangel an einem begnadeten geistlichen Führer, dagegen fast nur Begegnungen mit solchen, die von Blindheit und Selbsttäuschung geschlagen waren; die freiwillige und unfreiwillige Abhängigkeit von ihnen; eine Umgebung voller Dinge der Versuchung statt der Erhebung; die Hingabe an Lehren, denen die gottfeindliche Welt den Glanz und der Bedeutung höchster Weisheit und Heiligkeit verliehen hatte, obwohl sie doch finster und unrein waren und deshalb nur Missachtung und Ablehnung verdient hätten.

All diese Erschütterungen, durch die ich wieder und wieder geprüft wurde, waren bitter, kraftraubend, grausam, beharrlich und quälend langwierig. Die Anfechtungen in Bezug auf meine äußere Situation bedeuten dabei nach dem Urteil meiner Seele nichts im Vergleich zu dem, was meine Seele zu erleiden hatte.

Rau sind die Wogen im Meer des Lebens; Düsternis und Finsternis herrschen hier; unablässig erheben sich Stürme darüber, getrieben von wilden Winden – den gefallenen Geistern; den Schiffen fehlen die Lotsen; für sicher erachtete Häfen verwandelten sich in Strudel, in tödliche Abgründe; alle Berge und Inseln wurden von ihrer geistlichen Stelle weggerückt (Offb 6,14); Schiffbruch erscheint unausweichlich. Und so wäre es in der Tat, würden nicht Gottes unergründliche Vorsehung und Seine ebenso unbegreifliche Gnade Seine Auserwählten retten.

Lang hat meine Seele gewohnt in der Fremde (Ps 119/120,6 ksl), ohne den wahren Hafen zu finden, ob in meinem Innern oder draußen. Ich bin versunken im Schlamm des Abgrunds und habe keinen Halt mehr – keine rechte und feste Seelenhaltung, die in den Tugenden unerschütterlich wäre. In tiefe Wasser bin ich geraten, die Flut reißt mich fort. Ich bin erschöpft von meinem Rufen, es brennt meine Kehle. Mir versagen die Augen, während ich warte auf meinen Gott (Ps 68/69,3-5): Der Feind verfolgte meine Seele, zwang mein Leben zu Boden, hat mich in das Finstere versetzt. (Ps 142/143,3 ksl). Hingeschüttet bin ich wie Wasser, gelöst haben sich all meine Glieder … Meine Kraft ist vertrocknet wie eine Scherbe (Ps 21/22,15f), mich umfingen die Fesseln des Todes und die Fluten des Verderbens erschreckten mich; mich umstrickten die Fesseln der Unterwelt, über mich fielen die Schlingen des Todes (Ps 17/18,5f), daher schwand mir mein Lebensgeist, mein Herz erstarrt in meinem Innern (Ps 142/143,4).

In diesem Zustand erhebe ich meine Stimme zu den Vätern und Mitbrüdern, eine Stimme fürsorglicher Warnung. So tut es ein Reisender, der viele Bedrängnisse auf dem Weg seiner langen und gefährlichen Reise erduldet hat! Seine Aufzeichnungen sind ein wertvoller Schatz, den er nun jenen übergibt, die eine ähnliche Reise beabsichtigen oder sich bereits auf den Weg gemacht haben, ohne diesen Weg zu kennen oder mit nur einem oberflächlichen, aus veralteten Wegbeschreibungen geschöpften Wissen über ihn.

Darin beschreibt er, was sich verändert hat, keine grundlegenden Veränderungen, vielmehr solche in den Umständen, die jedoch einen bestimmten Einfluss auf das Wesentliche haben; hier stellt er dar, wie die alten Aufzeichnungen gelesen und auf die heutigen Verhältnisse angewendet werden müssen, um Irrwege mit all ihren Folgen zu vermeiden, die für jeden unausweichlich sind, der diese Aufzeichnungen als unnötig betrachtet und unbeachtet lässt.

Der heilige Johannes Klimakos schreibt von solchen, die Moorgebiete durchquert haben und dabei im Sumpf steckengeblieben sind; schlammbedeckt berichteten sie von ihren Fährnissen denen, die gerade dabei waren, denselben Weg einzuschlagen, um sie zu bewahren. Für diese Errettung der Nächsten hat der Allmächtige anschließend auch jene aus dem Sumpf befreit, die selbst dort hineingeraten waren, aber ihre Nächsten davor warnten, ebenfalls dort hineinzugeraten.

Ebne die Straße für deinen Fuß und alle deine Wege seien geordnet. Bieg nicht ab, weder rechts noch links, halt deinen Fuß vom Bösen zurück! Denn Gott weiß um jene auf dem rechten Wege, wer aber auf dem linken geht, ist verderbt. Er aber wird deine Wege ebnen und deine Schritte in Frieden leiten (Spr 4,26-29 ksl).

 Amen.

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